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“Frag den Staat” verklagt das Bundesinnenministerium

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Kampf David gegen Goliath: “Frag den Staat” verklagt das Bundesinnenministerium. Das Open-Data-Projekt bezeichnet sich “Informationsfreiheitsportal für Bürger, Initiativen und Vereine” und sieht sich durch die Bundesregierung in der eigenen Arbeit eingeschränkt. “Eigentlich hatten wir gehofft, dass die Bundesregierung uns verklagt”, sagt Stefan Wehrmeyer von der Open Knowledge Foundation am Mittwoch auf der Konferenz re:publica. Eine merkwürdige Hoffnung – doch der OpenData-Aktivist hat eine Mission. Er möchte die Informationen des Staates für die Bevölkerung transparent machen. Und dazu sucht er jetzt den Streit mit dem Staat und hat nun selbst Klage gegen die Bundesregierung eingereicht.

Informationsfreiheitsrechte für Jederman

Hintergrund: Eines der unbekannteren demokratischen Rechte in Deutschland sind die Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern. Diese Auskunftsrechte erlauben es im Prinzip jedem Bürger, Behörden und Regierungen nach Einsicht in deren Akten zu fragen – und diese müssen antworten. Natürlich gibt es Ausnahmen für Sicherheitsfragen und Geschäftsgeheimnisse, auch müssen Anfragende damit rechnen, dass ihre Anfrage etwas kostet. Um dieses Instrument einfacher nutzbarer zu machen, betreibt die Open Knowledge Foundation Deutschland die Plattform “Frag den Staat”, die nicht nur bei Anfragen unterstützt, sondern auch die erhaltenen Dokumente veröffentlicht. 

Dass die erzwungene Offenheit nicht immer im Sinne der Amtsträger ist, bekommen Open-Data-Aktivisten und Journalisten immer wieder zu spüren. Anfragen werden unter fadenscheinigen Gründen abgelehnt, Kosten in die Höhe getrieben, oft müssen Datenschützer eingreifen, um die Behörden zum Antworten zu bewegen. Und manche Amtsträger setzen sogar das Urheberrecht ein, um missliebige Veröffentlichungen zu erschweren.

Im konkreten Fall geht es um ein internes Gutachten aus dem Bundesinnenministerium. Die Autoren hatten nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2011 festgestellt, dass Sperrklauseln bei der Europawahl verfassungswidrig sind. Brisant: Trotz dieser Information hatte der Bundestag 2013 wieder ein Europawahlrecht mit Sperrklausel verabschiedet. Und bekam dafür vom Verfassungsgericht wieder eine Abfuhr: Die neue Klausel mußte ebenfalls wieder aufgehoben werden.

Volltext-Aktivisten

Nachdem das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” über das interne Gutachten berichtet hatte, wollten es die Aktivisten genauer wissen: Sie forderten das Dokument vom Bundesinnenministerium an und bekamen es auch prompt zugeschickt. Das Problem: Die Beamten verweigerten eine Veröffentlichung des Papiers auf der Plattform, da dies in ihren Augen eine Verletzung des Urheberrechts darstellen würde. Legal konnte zwar jeder Bürger das Formular anfordern, doch veröffentlichen durfte es niemand. “Das ist doch Unsinn”, sagt Wehrmeyer in Berlin. Er stellte das Dokument trotzdem online. Die Antwort aus dem Bundesinnenministerium: Die Anwälte der Behörde mahnten “Frag den Staat” ab.

Erfolg hatten die Beamten nicht: Wehrmeyer ließ nicht nur das Dokument auf der Webseite, er stellte auch den folgenden Schriftverkehr mit dem Ministerium online. Mehr noch: Statt die Anwälte der Bundesregierung zu bezahlen, verlangt er Ersatz für die eigenen Anwaltskosten. Zudem belegte er das Vorgehen der Regierung mit einem neuen Wort: “Zensurheberrecht“.

Formell geht die Klage vor dem Landgericht Berlin nur um die Anwaltsgebühren – die Aktivisten wollen jedoch eine Auseinandersetzung über das Thema erreichen: Amtliche Dokumente sollen generell von Restriktionen des Urheberrechts freigestellt werden, die Regierung soll ihre Unterlagen transparent machen. Doch unter dem geltenden Gesetz ist das schwer zu erreichen: “Im Urheberrecht findet keine Abwägung mit der Meinungsfreiheit statt”, erklärt der Berliner Anwalt Ansgar Koreng, der den Verein bei der Klage vertritt. Doch die Bundesregierung setze das Gesetz hier zweckentfremdet ein: “Eigentlich dient das Urheberrecht dazu, Kreativität zu schützen – und nicht um Kommunikationsverbote durchzusetzen.” Ob die Aktivisten damit vor Gericht Erfolg haben werden, ist jedoch offen.


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